Mittwoch, 14. Juni 2017

Was und wie wirkt das Impfen? - ein Blick ins Immunsystem

Mit den Erkenntnissen über das Immunsystem heutzutage dürfen wir als verantwortungsvolle Eltern und Ärzte nicht nur bei der vereinfachten Vorstellung bleiben, wie z.B. dass eine Impfung gegen eine Erkrankung schützt und dass ein Kind nach der Masernimpfung nicht mehr an Masern erkranken wird. Wie funktioniert das Impfen eigentlich? Was bewirkt eine Impfung außer dem Schutz vor einer bestimmten Krankheit? Und über die „unspezifischen Impfeffekte“ (Thema eines Workshps in Kopenhagen im Januar 2010) ist bis jetzt noch wenig geforscht worden.

Erfahrungen in der Kinderarztpraxis stimmen mit den Berichten der Eltern überein, daß ungeimpfte Kinder seltener an banalen fieberhaften Infekten wie Ohrenentzündung oder Bronchitis erkranken als geimpfte Kinder. Dieser Nachteil der Geimpften fällt in den Entwicklungsländern noch drastischer aus. Statistiken von einer Studie in Westafrika zeigten, dass die Sterblichkeit von Säuglingen, die gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung geimpft wurden, in dem Jahr nach der Impfung doppelt so hoch war wie die der ungeimpften Kinder, obwohl die geimpften oft aus besseren sozialen Verhältnissen kamen und in einem besseren Ernährungszustand waren.(1) Das Komitee für Impfstoffsicherheit der WHO erkennt diesen Zusammenhang zwischen Impfung und Abwehrschwäche der Kleinkinder und fordert mehr Forschung darüber, „Impfungen sind die letzten 50 Jahre von der Wissenschaft recht einseitig untersucht worden ….. Der Einfluss des Impfens auf das Langzeit-Überleben ist bislang kaum berücksichtigt worden. „(2)

Um das besser zu verstehen werfen wir einen Blick auf das Immunsystem. Was passiert im Körper bei einer natürlichen Krankheit und bei einer Impfung?

Bei akuten Infektionen dringen die Erreger (meistens Viren oder Bakterien) über Haut oder Schleimhaut in den Organismus ein und treffen zunächst auf die Verteidigung des unspezifischen Abwehrsystems: Fress- und Killerzellen und bestimmte Eiweißstoffe, die die Eindringlinge angreifen und ihre Vermehrung hemmen. Bei dem Abwehrkampf kommt es zur Entzündungsreaktion mit Zeichen wie Rötung, Schwellung und Fieber. Diese Vorgänge durch das unspezifische Abwehrsystem hinterlassen kaum ein „Gedächtnis“. Inzwischen wird eine noch wirkungsvollere Verteidung eingeschaltet, das spezifische Abwehrsystem, das sich spezifisch gegen einen bestimmten Erreger richtet und ein Gedächtnis über ihn behält. Der Impfschutz, wie auch der sogenannte „Nestschutz“, wodurch ein Säugling in den ersten Lebensmonaten vor Infektionen geschützt wird, die die Mutter durchgemacht hat, gehören zu diesem spezifischen System.

Abwehrkräfte im spezifischen Abwehrsystem werden in zwei „Abteilungen“ eingeteilt: die zelluläre Abwehr wird durch Abwehrzellen in Körperflüssigkeiten und Gewebe geleistet, die humorale Abwehr durch spezialisierte Eiweiße im Blut, die Antikörper. Die zwei Abteilungen haben ihre eigenen Charakteristika und unterschiedliche Aufgaben. Die zelluläre Abwehr beteiligt sich an der Zerstörung unter anderen von Parasiten und Krebszellen, auch an der Abstoßung fremder Gewebe, weswegen sie bei einer Organtransplantation unterdrückt werden muss. Die Aktion wird im Gewebe hervorgerufen, wo sie auch stattfindet. Die Antikörper der humoralen Abwehr zirkulieren im Blut und haften sich an ihren passenden Partner bzw. feindlichen Gegner, die Antigenen. Diese Bindung startet eine Reihe von Reaktionen mit dem Ziel, die Antigene zu beseitigen bzw. zu zerstören. Die mütterlichen Antikörper werden auf das Kind im Mutterleib übertragen und bilden den Nestschutz im Säuglingsalter.

Informationen über die Erreger werden vom unspezifischen Abwehrsystem durch Lymphozyten an das spezifische Abwehrsystem weiter gegeben. Mit den Informationen werden die T-Lymphozyten in T-Helferzellen, die „Gedächtniszellen“ umgewandelt, die die Informationen behalten. Die T-Helferzellen-1 (TH1-Zellen) aktivieren die Abwehrzellen des zellulären Abwehrsystems. Die T-Helferzellen-2 (TH2-Zellen) aktivieren das humorale Abwehrsystem zur Produktion von biochemischen Abwehrstoffen, den Antikörpern, die mit Labormethoden im Blut als „Titer“ messbar sind. Die zwei Abteilungen von Abwehrzellen (TH1-System) und Abwehrstoffen (TH2-System) stehen unter der strengen Kontrolle von einem "Steuerungskapitän", den sogenannten regulatorischen T-Zellen. Eine Fehlregulation des TH1-Systems kann zur Intoleranz der eigenen Gewebe führen, was die Pathologie der Autoimmunerkrankungen darstellt. Ein zu starkes TH2-System mit zu vielen Abwehrstoffen kann die Ursache überschießender Abwehrreaktionen auf harmlose Substanzen in der Umwelt und Ernährung sein, was „Allergie“ bedeutet.

Ein gesundes Immunsystem hängt von einem feinabgestimmten Zusammenspiel des unspezifischen und spezifischen Abwehrsystems und einem regulierten Gleichgewicht zwischen den beiden Abteilungen TH1 und TH2 ab. Die Entwicklung zu einem reifen Immunsystem, in dem beide, zelluläre Abwehr und humorale Abwehr, balanciert sind, findet in den ersten drei bis vier Lebensjahren statt.

Impfungen aktivieren in erster Linie das TH2-System. Durch den Impfstoff wird der Erreger in abgetöteter, entgifteter oder nur abgeschwächter Form und in einer passenden Dosierung in den Organismus eingeführt, genügend, diesen zu stimulieren, Gedächtniszellen und Antikörper zu produzieren, und nicht zu viel, daß die Krankheit oder Komplikationen erzeugt werden. Eine Grundimmunisierung beginnt mit dem allerersten Kontakt des Kindes mit dem Erreger. Je nach Impfung (vorgeschrieben durch das Impfschema) muss das Immunsystem durch die Gabe von Impfstoff in bestimmten Abständen wiederholt stimuliert werden, bis ein ausreichender Impfschutz (gemessen als Antikörpertiter) erreicht wird. Damit ist die Grundimmunisierung abgeschlossen. Nach einer bestimmten Zeit fallen naturgemäß die Antikörpertiter ab. Um den gewünschten Impfschutz weiter zu behalten, muss das Immunsystem erneut durch eine „Auffrischimpfung“ („Booster“) stimuliert werden. Aus seinem Gedächtnis von der Grundimmunisierung bildet es dann rasch die notwendige Menge von Abwehrstoffen.

Diese künstliche, einseitige und heftige Stimulation des TH2-Systems ist sehr ungünstig im Säuglingsalter, in dem ausgerechnet viele Impfungen heutzutage nach dem STIKO-Impfplan durchgeführt werden. Die Gründe dafür werden in dem nächsten Artikel über die Entwicklung des Immunsystems und des Nervensystems im ersten Lebensjahr erläutert. 

Referenzen
(1) Aaby, P. et al : Routine vaccinations and child survival: follow-up study in Guinea-Bissau, West Africa, BMJ 2000, 321: 1435-8.
(2)  Ehgartner, B. 2003, zitiert in S. 69, Hirte, M: Impfen Pro & Contra. Knaur Verlag, München 2015.
  



zum Muttertag


                              zum Muttertag


                       mit lieben Grüßen von den Kindern

Donnerstag, 4. Mai 2017

Wissenswertes zum Thema Impfung


Die Beobachtung einer natürlichen Immunität, die manche Infektionskrankheiten nach der Erkrankung hinterlassen, hat zu dem Versuch geführt, diesen Schutz künstlich zu erzeugen. Schon vor über eintausend Jahren waren solche Impfversuche in der chinesischen und später auch in der arabischen Medizin bekannt, wobei man durch dosierten Kontakt mit dem Krankheitserreger (das wichtigste Beispiel in der Geschichte der Medizin sind die Pocken) zu einem möglichst günstigen Zeitpunkt und günstigen Bedingungen den Schutzeffekt erzielen wollte. Bei diesem Vorgehen muss mit den Risiken der Erkrankung und möglichen schweren Folgen gerechnet werden.
Am 14. Mai 1796 führte der englische Arzt Edward Jenner die erste Pockenimpfung mit einem Impfstoff aus Kuhpocken-Pusteln durch. Die weitere Entwicklung ist ein lehrreiches Beispiel in der Geschichte der Impfung, gekennzeichnet durch Teilerfolg, deutlich erkennbare Impfschäden und die Verdrängbarkeit einer Krankheit in ein späteres Alter mit selteneren kleinen Ausbrüchen. Laut Jenners eigener Beurteilung litt sein Sohn unter schweren Impfschaden. Der nächste Meilenstein war die Entdeckung der Mikroben durch Louis Pasteur (1822-1895). Der zeitgenössische deutsche Mediziner und Nobelpreisträger Robert Koch (1843-1910) war der Entdecker des Tuberkelbakteriums und Entwickler der Tuberkulin-Impfung. Eine erste Reihe von Impfstoffen gegen “die großen Seuchen" wurde entwickelt: Pocken (1798), Tollwut (1885), Pest (1897), Diphtherie (1925) , Tuberkulose (1927), Tetanus (1927). Mit den wissenschaftlichen Fortschritten konnten nach dem zweiten Weltkrieg weitere Impfstoffe auch gegen Viruserkrankungen entwickelt werden: Kinderlähmung (Totimpfstoff 1955, Lebendimpfstoff 1962), Masern (1964), Mumps (1967), Röteln (1970) und Hepatitis B (1981).
Ein kritischer Rückblick zeigt, dass wohlverdiente Fortschritte oft mit Opfern und Zwischenfällen einhergehen, was auch der Geschichte der Menschheit entspricht. Am 8. April 1874 erklärte die deutsche Regierung die Pockenimpfung zur Pflichtimpfung. Gleichzeitig wurde eine Entschädigung den Impflingen zugesprochen, die unter den Nebenwirkungen litten. Es wurde dokumentiert, daß unter dem WHO Impfprogram mit der Polio Schluckimpfung und gleichzeitiger Gabe der DPT (Diphtherie-Keuchhusten-Tetanus)-Impfung die Kinderlähmung um 1980 in Indien stark zunahm statt ab. Man hatte den Zusammenhang mit den Wildpolioviren unter tropischen Bedingungen noch nicht erkannt. Immer wieder mussten Impfstoffe wegen anfänglich nicht erkannten Nebenwirkungen aus dem Markt genommen werden. Auf Grund von Hirnshäden bis hin zu Todesfällen war der frühere Keuchhustenimpfstoff von 1974 bis 1991 in Deutschland ausgesetzt worden. Erst 1997 gab es eine offizielle Stellungnahme zur neurotoxischen Belastung quecksilberhaltiger (Thiomersal) Impfstoffe vor allem bei Säuglingen. Danach wurden alle betroffene Impfstoffe in Deutschland vom Markt genommen. Statt Thiomersal wird als Konservierungsmittel jetzt meistens Phenoxyethanol eingesetzt.
Solche kollektiven Erfahrungen aus der Geschichte gerechtfertigen eine zunächst eher zurückhaltende und abwartende Haltung statt Euphorie gegenüber der Einführung eines neuen Impfstoffes wie z.B. der HPV Impfung für Jugendliche.
Der interessierte Leser wird auf die vielen Veröffentlichungen zu diesem Thema verwiesen. Darunter ist das Buch "Impfen, Pro & Contra" von Dr. Martin Hirte wohl am bekanntesten. In der aktualisierte Neuauflage März 2015 werden zahlreiche Dokumentationen und Quellen angegeben.






Samstag, 22. April 2017

Allgemeine Bemerkungen zu Impfungen


Zuerst möchte ich alle Eltern und Leser bitten, nicht gleich in eines der Lager der Befürworter oder Gegner der Impfungen einzutreten. Es geht nicht um die vereinfachte Frage, "Impfung, ja oder nein?" sondern eine sachliche Diskussion, "Impfungen, pro und contra, welche? warum und warum nicht?"
Vor allem sollten wir emotional beladene Äußerungen vermeiden, die impfkritischen Eltern oft vorgeworfen werden, z.B. dass Eltern sich unverantwortlich verhalten, wenn sie ihre Kinder nicht oder nicht komplett nach STIKO-Empfehlungen impfen lassen. Ganz im Gegenteil, diese Eltern nehmen ihre Impfentscheidungen für ihre Kinder zumeist höchst ernst und verantwortungsbewußt. Letzendlich stellt jede Impfung durch Injektion eine Körperverletzung dar und die Durchführung benötigt die Einwilligung des Impflings bzw. des Sorgeberechtigten. Diese individuelle Entscheidung über welche Impfung für ihre Kinder und die optimale Zeit der Durchführung treffen viele Eltern heutzutage sorgfältig nach vielen Überlegungen. Der Arzt hat die Aufklärungspflicht, den Impfling bzw. die Eltern über die zu verhütende Krankheit, die Impfung und auch mögliche Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zu informieren, damit sie die Entscheidung selbstständig und urteilsfähig machen können (laut "Spezielle Hinweise zur Durchführung von Schutzimpfungen" der STIKO).
Die Vorwürfe gegen die zögernden Eltern basieren meistens auf folgenden Gesichtspunkten: Wohlwollende Verwandte wie Großeltern, die in Zeiten gelebt haben, in den Infektionskrankeiten eine große Lebensgefahr darstellten, meinen, "Impfungen schützen vor Krankheiten, ohne Impfungen werden die Kinder krank". Der Glauben an die Impfung stützt sich auf die Angst vor der Krankheit. Eine andere Kritik stammt aus dem Argument, eine flächendeckende Impfstrategie sorge für die Ausrottung einer Krankheit wie Masern oder Hepatitis B. Alle diese Argumente sind für verschiedene Krankheiten unterschiedlich geltend. Die verbesserten hygienischen Umstände sowie Lebensbedingungen sind allgemein genauso ausschlagebend wie die Verfügbarkeit der Impfungen bezüglich des Rückgangs der Infektionskrankheiten. Die mögliche Komplikationen einer Impfreaktion muß gengenüber einem gering gewordenen Krankheitsrisiko abgewogen werden.
Das Robert Koch-Institut in Berlin ist Sitz der Ständigen Impfkommission (STIKO), die aus 16 Experten besteht, deren Aufgabe es ist, die Empfehlungen für Schutzimpfungen in Deutschland vorzubereiten. Es ist bekannt, dass einzelne Mitglieder der Kommission mit Herstellern von Impfstoffen zusammen arbeiten. Es ist auch bekannt, daß Ärzte Honorar für jede durchgeführte Impfung bekommen. In den vergangenen Jahren hat sich die Liste der empfohlenen Impfungen ständig verlängert. Bis zum 17. Lebensjahr werden zurzeit Impfungen gegen 14 Krankheiten (13 für Jungen) empfohlen, beginnend im 3. Lebensmonat eines Kindes. Bis zum fünfzehnten Lebensmonat summieren sich bis zu 27 Einzelimpfstoffe (einige werden in einer Spritze kombiniert), die verabreicht werden sollten. Was für eine enorme Herausforderung an das Reaktionsvermögen vom Immunsystem des jungen Organismus!
Als homöopathisch arbeitende Kinderärztin werde ich oft gefragt, ob es etwas wie eine "homöopathische Impfung" gibt. Die Antwort ist nein. Wenn es Aussagen gäbe, dass die Verabreichung von homöopathischen Mitteln auf bestimmte Krankheiten vorbeugend wirkt, sind diese wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Die Homöopathie ist eine Behandlungsmethode, die bei Krankheiten eingesetzt werden kann, deren Verordnung sich auf die Symptome der schon ausgebrochenen Krankheit stützt und ist im engsten Sinn keine Prophylaxe. Insofern müssen wir in der Impfdebatte auf die Homöopathie verzichten.
Ich schreibe diese Bemerkungen im Anschluß zu dem letzten Essay über "Der Erlkönig", Goethes Ballade über ein sterbendes Kind und meine Gedanken über Kindersterblichkeit zu Zeiten von Franz Schubert. Vielleicht wurde das Kind, das beim Sterben in seiner Erkrankung phantasiert hat, von einer Masern Encephalitis geplagt? In diesen Zeiten wären Impfungen sehr gebraucht worden. Es waren Zeiten, als ein schwer krankes Kind in der Nacht auf dem Pferd zum Arzt gebracht werden musste. Ein Kollege aus den USA erzahlte mir einmal, wie er als krankes Kind im Winter in Upstate New York mit dem Schlitten zum Arzt gefahren wurde. Heutzutage würde keine Mutter in Europa das einem kranken Kind antun. Der Kinderarzt würde zum Hausbesuch gebeten. 2001 habe ich als Mitglied der "Ärzte für die Dritte Welt" in den Philippinen ehrenamtlich gearbeitet. Da, wo Infektionskrankheiten viele Kindesleben fordern, haben wir die Impfungen gewissenhaft durchgeführt. Da sterben auch viele Kleinkinder an Duchfallkrankheiten. Dafür hatte man leider keine verfügbare Impfung. Im Gegensatz dazu halte ich die Impfung gegen Rotaviren (die schweren Durchfall verursachen) hierzulande für nicht notwendig.
Wir werden in den nächsten Artikeln auf die einzelnen Krankheiten und Schutzimpfungen eingehen.

Donnerstag, 20. April 2017

Goethes Ballade „Der Erlkönig“ aus der Sicht einer Kinderärztin


Der Erlkönig“ ist ein sehr bekanntes klassisches Lied. Es schildert den Tod eines Kindes, das von einer übernatürlichen Gestalt, dem „Erlkönig“, bestürmt wird. Goethe schrieb diese Ballade im Jahre 1782 und Franz Schubert vertonte sie 1815. Goethe war vermutlich zum Schreiben dieses Werkes inspiriert worden durch die Nachricht über einen Bauer aus einem nahen Dorf, der verzweifelt mit seinem kranken Kind auf der Suche nach einem Arzt durch die Nacht ritt.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?


Es ist der Vater mit seinem Kind;


Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

 
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

........ 


Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?  
 

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?

 
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,


Was Erlkönig mir leise verspricht? 

 


Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!


Erlkönig hat mir ein Leids getan!


........
 

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,

 
Er hält in den Armen das ächzende Kind,


Erreicht den Hof mit Mühe und Not;


In seinen Armen das Kind war tot.


 
Ich habe dieses Lied nie gemocht, weil ich es bedrückend finde, voller Angst und Traurigkeit trotz der wunderschönen Musik. Es gibt viele unbeantwortete Fragen zu diesem Gedicht und unterschiedliche Interpretationen in der Literatur. Ich habe mir meine eigenen Gedanken aus der Sicht einer Kinderärztin gemacht, als ich im letzten November das Lied in Schuberts Geburtshaus in Wien hörte und zuvor seine Biographie gelesen hatte. Schuberts Mutter brachte 14 (!) Kinder auf die Welt. Er war einer der vier, die im Kindesalter überlebt hatten. Was für eine enorm hohe Kindersterblichkeit zu dieser Zeit! (Schubert selbst starb in seinem 31. Lebensjahr). In diesem Haus, wo Schuberts Familie wohnte und arbeitete (sein Vater leitete eine Schule im gleichen Gebäude) kam mir beim Hören dieser Ballade über die Ängste eines sterbenden Kindes ganz nahe, wie unsicher das Kindesleben vor 200 Jahren war.

Kurz danach hatte ich eine Familie von drei Generationen in meinem Sprechzimmer. Der Großvater begleitete seine Tochter, die ihr krankes Kind zu meiner Praxis brachte. Bevor sie gingen hatten wir eine lebhafte Diskussion über die Impfungen. Der Großvater war noch voller Ängste aus seinen Tagen, als schwere Krankheiten oft lebensbedrohend für Kinder waren. Impfungen sind für ihn zweifellos eine große Errungenschaft der modernen Medizin. Für seine Tochter ist die Notwendigkeit der Impfungen fragwürdig geworden. Für sie ist heutzutage Kindersterblichkeit zum Glück nahezu undenkbar, abgesehen von schweren Fällen im Krankenhaus, während Nebenwirkungen von chemischen Medikamenten eine wirkliche Sorge darstellen.
Ich versuchte Vater und Tochter zu erklären, dass sie beide unterschiedliche Standpunkte haben, weil die Probleme und Sorgen zum Thema „Gesundheit und Krankheit der Kinder“ in ihren Lebensepochen so stark verschieden seien.

Beim nächsten Mal werden wir dieses heiße Diskussionsthema „die Impfungen“ besprechen.

Samstag, 8. April 2017

Frühlingsgrüße mit Husten und Schnupfen

                                                                                                                                            4. April 2017
Letzten Freitag meldete sich Frau K. mit ihren zwei Söhnen wegen Husten, Schnupfen und Fieber zur akuten Sprechstunde. Simon (13) und Elias (14) hatten sich vor einigen Jahren auf Grund von Bauchschmerzen und Darmproblemen vorgestellt. Die Mutter ist auch Patientin in unserer Familienpraxis. Sie leidet unter Heuschnupfen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, darunter sind Kuhmilch und Gluten am stärksten betroffen.
So sehr akut waren die Beschwerden nicht, sondern mal besser mal schlechter, schon ein paar Wochen seit Anfang März. Weil das Fieber bei Simon wieder angestiegen war und Frau K. durch die Vorgeschichte von Elias mit einer Lungenentzündung Angst hatte, brachte sie die Kinder noch vor dem Wochenende zu mir.
Simon huste seit einiger Zeit "bellend". Ich bat ihn bitte mal zu husten. Tatsächlich klingt der Husten weder trocken noch feucht schleimig, sondern etwas hohl, vom Kehlkopf kommend, als ob da „die Luftwege zu wären“. Manche beschreiben solch einen Husten als “ wie ein kleiner Hund bellt." Dies ist eine typische Beschreibung für den Husten bei “Pseudokrupp”, ein erschreckender Anfall mit ziehenden Geräuschen und Atemnot, der bei Kleinkindern meist in der Nacht vorkommt. Unter großer Angst, daß das Kind ersticken würde, suchen die Eltern oft Nothilfe im Krankenhaus. Bei größeren Kindern ist das Geschehen nicht mehr so dramatisch. Viele Kinder haben die Tendenz, bei Erkältungen, vor allem im Frühjahr und Herbst, wiederholt Kruppanfälle zu entwickeln oder “kruppartig” (bellend) zu husten.
Nach meiner Erfahrung ist ein bellender Husten nicht nur ein einfacher viraler Infekt im Kehlkopfbereich. Vor allem, bei der Tendenz, sich zu wiederholen, deutet er auf eine überreaktive Grundlage der Luftwege hin, was so gut wie “Allergie” heißt, deren Erscheinung als Heuschnupfen oder asthmoide Beschwerden in der Familie oft vorhanden ist. Ich frage immer nach der Vorgeschichte, dem Zusammenhang mit den Jahreszeiten und nach der Familiengeschichte.
Mama konnte lang zögernd nicht beantworten, ob Simon letztes Jahr um diese Jahrezeit auch viel husten mußte. Simon konnte sich aber gut daran erinnern. “Doch, zu meinem Geburtstag und davor habe ich viel gehustet.” Er hat nämlich am 1. April Geburtstag. Also um die gleiche Jahreszeit, Frühling, März bis Mitte April, wenn die Mama Heuschnupfensymptome hat, ist Simon auch anfällig mit Husten. Das homöopathische Mittel für bellenden Husten wäre Spongia, D30, dreimal täglich 5 Globuli.
Außerdem hatte Simon einen Stockschnupfen. Die Allergie und der Infekt haben zur Anschwellung der Schleimhaut geführt. Die Nase war fest verstopft und kein Sekret konnte runter fließen. Das birgt die Gefahr einer Nasennebenhöhlenentzündung. Sein Fieber war ein Warnzeichen. Abschwellende Nasentropfen und schleimlösende Mittel wären dringend notwendig, um eine Nebenhöhlenentzündung zu vermeiden.
Der große Bruder Elias hustete dagegen wirklich trocken. Der Reizhusten klingt kratzig, kurz aber häufig, “staccato” ohne lange Pause. Das homöopathische Mittel dafür wäre Sticta Pulmonalia, D30, dreimal täglich 5 Globuli. Beim Abhören bemerkte ich reduzierte Atemgeräusche beim Ausatmen. Er konnte besser ausatmen, wenn er sich mit der Hand auf dem Bauch drückte. Ob “Asthma” oder “obstruktive Bronchitis”, die Diagnose stützt sich auf den gleichen Kernpunkt, die erschwerte Ausatmung durch das Hindernis verursacht durch verengte kleine Luftröhrchen. Ich verordnete Inhaltion regelmäßig zuerst mit physiologischer Kochsalzlösung. Bei zunehmender Atemnot muß man zu Bronchien erweiternden Medikamenten greifen.
Ganzheitlich betrachtet zeigen beide Kinder und die Mutter verschiedene Symptome der gleichen allergischen Grundlage. Der Darm, die Mitte des Menschen, ist das Zentrum der immunologischen Geschehnisse. Alle drei leiden auch unter Verdauungspobleme. Die Mama gab an, seitdem sie von Kuhmilch und glutenhaltigen Getreiden weg bleibt, dazu eine Behandlung der Darmflora durchzieht, ist ihr Heuschnupfen dieses Jahr wesentlich besser. Ich empfehle ihr, logischerweise, daß die Kinder sich auch diesen Maßnahmen anschließen.


Donnerstag, 30. März 2017

Bilder der Kindheit in der Geschichte

Bilder der Kindheit in der Geschichte: In einem alten Buch mit dem Titel „Bilder der Kindheit, eine illustrierte Sozialgeschichte “ (Mayflower Books, New York 1979), das ich ...