Mit
den Erkenntnissen über das Immunsystem heutzutage dürfen wir
als verantwortungsvolle Eltern und Ärzte nicht nur bei der
vereinfachten Vorstellung bleiben, wie z.B. dass eine Impfung gegen
eine Erkrankung schützt und dass ein Kind nach der Masernimpfung
nicht mehr an Masern erkranken wird. Wie funktioniert das Impfen
eigentlich? Was bewirkt eine Impfung außer dem Schutz vor einer
bestimmten Krankheit? Und über die „unspezifischen Impfeffekte“
(Thema eines Workshps in Kopenhagen im Januar 2010) ist bis jetzt
noch wenig geforscht worden.
Erfahrungen
in der Kinderarztpraxis stimmen mit den Berichten der Eltern überein,
daß ungeimpfte Kinder seltener an banalen fieberhaften Infekten wie
Ohrenentzündung oder Bronchitis erkranken als geimpfte Kinder.
Dieser Nachteil der Geimpften fällt in den
Entwicklungsländern noch drastischer aus. Statistiken von einer
Studie in Westafrika zeigten, dass die
Sterblichkeit von Säuglingen, die gegen Diphtherie, Tetanus,
Keuchhusten und Kinderlähmung geimpft wurden, in dem Jahr nach der
Impfung doppelt so hoch war wie die der ungeimpften Kinder, obwohl
die geimpften oft aus besseren sozialen Verhältnissen kamen und in einem besseren Ernährungszustand
waren.(1) Das Komitee für Impfstoffsicherheit der WHO erkennt diesen
Zusammenhang zwischen Impfung und Abwehrschwäche der
Kleinkinder und fordert mehr Forschung darüber, „Impfungen sind
die letzten 50 Jahre von der Wissenschaft recht einseitig untersucht
worden ….. Der Einfluss des Impfens auf das Langzeit-Überleben ist
bislang kaum berücksichtigt worden. „(2)
Um
das besser zu verstehen werfen wir einen Blick auf das Immunsystem.
Was passiert im Körper bei einer natürlichen Krankheit und bei
einer Impfung?
Bei
akuten Infektionen dringen die Erreger (meistens Viren oder Bakterien)
über Haut oder Schleimhaut in den Organismus ein und treffen
zunächst auf die Verteidigung des unspezifischen Abwehrsystems:
Fress- und Killerzellen und bestimmte Eiweißstoffe, die die Eindringlinge angreifen
und ihre Vermehrung hemmen. Bei dem Abwehrkampf kommt es zur
Entzündungsreaktion mit Zeichen wie Rötung, Schwellung und
Fieber. Diese Vorgänge durch das unspezifische Abwehrsystem
hinterlassen kaum ein „Gedächtnis“. Inzwischen wird eine noch
wirkungsvollere Verteidung eingeschaltet, das spezifische
Abwehrsystem, das sich spezifisch gegen einen bestimmten Erreger
richtet und ein Gedächtnis über ihn behält. Der Impfschutz, wie auch der sogenannte „Nestschutz“, wodurch ein Säugling in den
ersten Lebensmonaten vor Infektionen geschützt wird, die die Mutter
durchgemacht hat, gehören zu diesem spezifischen System.
Abwehrkräfte
im spezifischen Abwehrsystem werden in zwei „Abteilungen“
eingeteilt: die zelluläre Abwehr wird durch Abwehrzellen
in Körperflüssigkeiten und Gewebe geleistet, die
humorale Abwehr durch spezialisierte Eiweiße im Blut, die
Antikörper. Die zwei Abteilungen haben ihre eigenen
Charakteristika und unterschiedliche Aufgaben. Die zelluläre Abwehr
beteiligt sich an der Zerstörung unter anderen von Parasiten und
Krebszellen, auch an der Abstoßung fremder Gewebe, weswegen sie bei
einer Organtransplantation unterdrückt werden muss. Die Aktion wird
im Gewebe hervorgerufen, wo sie auch stattfindet. Die Antikörper der
humoralen Abwehr zirkulieren im Blut und haften sich an ihren
passenden Partner bzw. feindlichen Gegner, die Antigenen. Diese
Bindung startet eine Reihe von Reaktionen mit dem Ziel, die Antigene
zu beseitigen bzw. zu zerstören. Die mütterlichen Antikörper
werden auf das Kind im Mutterleib übertragen und bilden den
Nestschutz im Säuglingsalter.
Informationen
über die Erreger werden vom unspezifischen Abwehrsystem durch
Lymphozyten an das spezifische Abwehrsystem weiter gegeben. Mit den
Informationen werden die T-Lymphozyten in T-Helferzellen, die
„Gedächtniszellen“ umgewandelt, die die Informationen
behalten. Die T-Helferzellen-1 (TH1-Zellen) aktivieren die
Abwehrzellen des zellulären Abwehrsystems. Die T-Helferzellen-2
(TH2-Zellen) aktivieren das humorale Abwehrsystem zur Produktion von
biochemischen Abwehrstoffen, den Antikörpern, die mit Labormethoden im
Blut als „Titer“ messbar sind. Die zwei Abteilungen von
Abwehrzellen (TH1-System) und Abwehrstoffen (TH2-System)
stehen unter der strengen Kontrolle von einem "Steuerungskapitän",
den sogenannten regulatorischen T-Zellen. Eine Fehlregulation des
TH1-Systems kann zur Intoleranz der eigenen Gewebe führen, was die
Pathologie der Autoimmunerkrankungen darstellt. Ein zu starkes
TH2-System mit zu vielen Abwehrstoffen kann die Ursache
überschießender Abwehrreaktionen auf harmlose Substanzen in der
Umwelt und Ernährung sein, was „Allergie“ bedeutet.
Ein
gesundes Immunsystem hängt von einem feinabgestimmten Zusammenspiel
des unspezifischen und spezifischen Abwehrsystems und einem
regulierten Gleichgewicht zwischen den beiden Abteilungen TH1 und TH2
ab. Die Entwicklung zu einem reifen Immunsystem, in dem beide,
zelluläre Abwehr und humorale Abwehr, balanciert sind, findet in den
ersten drei bis vier Lebensjahren statt.
Impfungen
aktivieren in erster Linie das TH2-System. Durch den Impfstoff wird der Erreger in abgetöteter, entgifteter oder nur abgeschwächter Form und in einer
passenden Dosierung in den Organismus eingeführt, genügend, diesen
zu stimulieren, Gedächtniszellen und Antikörper zu produzieren, und
nicht zu viel, daß die Krankheit oder Komplikationen erzeugt werden.
Eine Grundimmunisierung beginnt mit dem allerersten Kontakt
des Kindes mit dem Erreger. Je nach Impfung (vorgeschrieben durch
das Impfschema) muss das Immunsystem durch die Gabe von Impfstoff in
bestimmten Abständen wiederholt stimuliert werden, bis ein
ausreichender Impfschutz (gemessen als Antikörpertiter) erreicht
wird. Damit ist die Grundimmunisierung abgeschlossen. Nach einer
bestimmten Zeit fallen naturgemäß die Antikörpertiter ab. Um den
gewünschten Impfschutz weiter zu behalten, muss das Immunsystem
erneut durch eine „Auffrischimpfung“ („Booster“)
stimuliert werden. Aus seinem Gedächtnis von der Grundimmunisierung
bildet es dann rasch die notwendige Menge von Abwehrstoffen.
Diese
künstliche, einseitige und heftige Stimulation des TH2-Systems ist sehr ungünstig im Säuglingsalter, in dem ausgerechnet viele
Impfungen heutzutage nach dem STIKO-Impfplan durchgeführt werden. Die
Gründe dafür werden in dem nächsten Artikel über die Entwicklung
des Immunsystems und des Nervensystems im ersten Lebensjahr erläutert.
Referenzen
(1) Aaby, P. et al : Routine vaccinations and child survival: follow-up study in Guinea-Bissau, West Africa, BMJ 2000, 321: 1435-8.
(2) Ehgartner, B. 2003, zitiert in S. 69, Hirte, M: Impfen Pro & Contra. Knaur Verlag, München 2015.
Referenzen
(1) Aaby, P. et al : Routine vaccinations and child survival: follow-up study in Guinea-Bissau, West Africa, BMJ 2000, 321: 1435-8.
(2) Ehgartner, B. 2003, zitiert in S. 69, Hirte, M: Impfen Pro & Contra. Knaur Verlag, München 2015.